Stopptrick – forever young

Es gibt mittlerweile Smartphones mit 512 Gigabyte Speicherplatz, auf denen animierte Filme laufen, für deren Herstellung hunderte von Mitarbeitern und Rechner-Farmen zuständig waren. Und ich habe einen Film in Stopptrick-Technik gemacht. Widerspricht sich das?

Natürlich kann man animierte Filme digital rendern und wunderschön flüssige Bewegungsabläufe erzeugen. Die Technik beeinflusst ganz direkt die Ästhetik eines Filmes und damit seine Wirkung. Den Zuschauer in eine fremde, fantastische Welt mitzunehmen gelingt am leichtesten, wenn die Bewegungsmuster der Protagonisten so sind, wie er sie aus dem „wirklichen Leben“ kennt, einer großartiges Beispiel ist der Film „Avatar“.

Der Stopptrick kann bei aller Liebe zum Detail nicht verhehlen, dass er eine künstliche Welt, eine Welt der Ideen zeigt. Das staccato der Bewegungen, mögen sie noch so fein sein, „verrät“, dass hier erzählt wird – und nicht berichtet. Das ist seine große Stärke, der optische Verweis auf eine bestimmte Art von Stoff – das Märchen, den Mythos, die Legende – und einen Modus des Konsums: Langsam, bereit, den Bildern zu glauben, sie weiterzuspinnen. Ein Splattermovie in Stopptrick-Technik? Das würde niemand machen.

Lotte Reininger hat mit ihren Scherenschnitt-Figuren vor leuchtend farbigen Hintergründen eine unverwechselbare Ästhetik entwickelt. Die fragilen Figurenteile bewegen sich anmutig und gleichzeitig ein wenig ruckartig – und schon wissen wir Bescheid, das ist alles nicht wahr und soll es auch nicht sein, sondern in unserem Kopf und Herzen weiterleben.

Das Tolle ist, dass heute kein Film mehr, auch kein Stopptrickfilm, im Kino laufen muss, sondern dass man sich ihm überall widmen kann, wenn man Sehnsucht nach seiner poetischen und charmant unperfekten Erzählweise hat. Smartphone und Internet machen es möglich, in bester Qualität. Gleichzeitig hält er sein Versprechen, uns augenblicklich mit in eine andere Welt zu nehmen, immer noch auf der großen Leinwand. Das konnte ich in Berlin sehen, als ich das Konzert des BuJazzO „Klingende Utopien“ besuchte. Die Ausschnitte aus Lotte Reiningers Filmen „Das Ornament des verliebten Herzens“ und „Das Geheimnis der Marquise“ sind kurz zu sehen bei 1:11 / 1:42 / 2:00 / 3:02. Das Video beschreibt ganz nebenher, wie man zu solchen Filmen, die eine andere Ästhetik haben als die heutigen, Musik macht.

Um die Musik zu Kawa wird es in meinem nächsten Blogpost gehen. Für heute ist hoffentlich klar geworden, warum es Stopptrick mit Scherenschnitt-Figuren sein musste …

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